Es geht auch anders! Nicht nur ein falsches Signal an Kinderpornotäter – die Deutsche Kinderhilfe appelliert an die Bundestagsabgeordneten
13. März 2024
Es geht auch anders! Nicht nur ein falsches Signal an Kinderpornotäter – die Deutsche Kinderhilfe appelliert an die Bundestagsabgeordneten
„Verhindern sie bitte die Herabstufung der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Inhalte zum Vergehen!“
Am 14. März wird sich der Deutsche Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetzesentwurf zur Senkung der Mindeststrafen für die „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ (20/10540) beschäftigen. Dabei stuft die Bundesregierung den Entwurf als „besonders eilbedürftig“ ein, entsprechend gekennzeichnet ist er dem Bundesrat zugeleitet worden.
„Besonders eilbedürftig ist aus unserer Sicht, den Entwurf schnellstens zu verwerfen“, so der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe- die ständige Kindervertretung e.V. Rainer Becker. „Denn dass danach der Besitz und Erwerb und die Verbreitung von kinderpornographischem Material nun wieder als Vergehen eingestuft werden soll und damit künftig nur noch mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe, im Falle der Verbreitung mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe bestraft werden kann, ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Doch genau das sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor“, so Becker.
Denn die Richtlinie 2011/92/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 stellt eindeutig fest, dass Delikte wie „Kinderpornografie“ schwere Straftaten sind. Dem ist der deutsche Gesetzgeben erst im Jahr 2021, indem er derartige Straftaten im StGB zu Verbrechen und damit besonders schweren Rechtsbrüchen machte. Dass der Gesetzgeber die Tatbestände rund um die Kinderpornografie nun wieder zu Vergehen, also minderschweren Straftaten herabsetzen will, steht aus unserer Sicht auch im Widerspruch zur zitierten Richtlinie.
In ihrer Begründung verweist die Bundesregierung auf Forderungen und Rückmeldungen aus der Praxis. Danach hätten diese gezeigt, dass die nicht vorhandene Möglichkeit, Verfahren einzustellen beziehungsweise durch Strafbefehl zu erledigen, bei Verfahren, die einen Tatverdacht am unteren Rand der Strafwürdigkeit zum Gegenstand haben, dazu führe, dass eine tat- und schuldangemessene Reaktion nicht mehr in jedem Einzelfall gewährleistet sei. Auch die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder habe sich den Forderungen aus der Praxis angeschlossen.
Zur weiteren Begründung führt die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf an, dass die Verhältnismäßigkeit der Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe in manchen Fällen fraglich sei. Das gelte insbesondere dann, „wenn die beschuldigte Person offensichtlich nicht aus einem eigenen sexuellen Interesse an kinderpornographischen Inhalten gehandelt hat“, sondern im Gegenteil, um insbesondere eine weitere Verbreitung oder ein öffentliches Zugänglichmachen eines kinderpornographischen Inhalts, zu beenden, zu verhindern oder aufzuklären. Besonders häufig seien solche Fälle bei Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern älterer Kinder oder Jugendlicher aufgetreten, die kinderpornographisches Material bei diesen gefunden und an andere Eltern, Lehrerinnen oder Lehrer oder die Schulleitung weitergeleitet haben, um diese über den Missstand zu informieren.
Zudem sieht die Bundesregierung die Einstufung der Delikte als Vergehen auch als probates Mittel an, um mit den zahlreichen jugendlichen Täterinnen und Tätern angemessen und flexibel umgehen zu können. „Denn auch hier agieren die handelnden Personen in der Regel nicht, um sich durch den kinderpornographischen Inhalt sexuell zu erregen, sondern aus einem für den jugendlichen Entwicklungsstand typischen Antrieb wie Unbedarftheit, Neugier, Abenteuerlust oder Imponierstreben“, heißt es zur Begründung des Entwurfs.
Zum einen ist aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe zu bemängeln, dass das zuständige Ministerium zum Beleg der immer wieder genannten praktischen Beispiele der „unverschuldet ins Visier geratenen Eltern und Lehrer“ keinerlei echte, belastbare Zahlen vorlegen konnte. Dies gilt auch für die nach Ansicht der Deutschen Kinderhilfe tatsächlich häufigeren Fallbeispiele minderjähriger Täter. Besonders bemerkenswert ist, dass es durchaus ebenso einfache wie praxiswirksame Alternativen zur Herabsetzung des §184 b StGB zum Vergehen gibt, etwa die Normierung der im Entwurf des Bundesjustizministeriums benannten Ausnahmefälle. So könnten im Gesetz konkret benannte straffreie Konstellationen geschaffen werden, ohne den Unrechtsgehalt des Grunddelikts wie nun vorgesehen, niedriger bewerten zu müssen, so Rainer Becker.
Hierzu hat die Deutsche Kinderhilfe bereits einen Vorschlag vorgebracht (siehe untenstehende Ausführungen).
„Der Gesetzgeber muss den § 184b StGB also lediglich um eine Regelung für klar bezeichnete minderschwere Fälle ergänzen, so könnte man § 184 b StGB als Verbrechen belassen.“ so der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung. „Auch die vom Bundesjustizministerium vorgebrachte Begründung der höheren Arbeitsökonomie nach Herabstufung ist für mich nicht nachvollziehbar, da auch dann jeder Sachverhalt dezidiert juristisch geprüft werden muss, daran ändert auch die neue juristische Einordnung als Vergehen nichts“.
Und noch etwas darf nicht vergessen werden. Die Einstufung des Delikts als Vergehen ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer sexuellen Missbrauchs. So genannte Kinderpornografie basiert auf dem sexuellen Missbrauch von Kindern, insofern war es folgerichtig, den Tatbestand von § 184 b StGB in diesem Kontext ebenfalls endlich zu einer besonders schweren Straftat, einem Verbrechen, zu machen. Dies nun umzukehren, ist eine Verhöhnung der kindlichen Opfer, die oft ihr Leben lang unter den Folgen der Gewalttaten leiden. Eine Verminderung der Strafandrohung würde den Opfern schmerzlich aufzeigen, was sie unserer Politik und Justiz wert sind.
Im Übrigen ist nach Informationen der Deutschen Kinderhilfe in Kürze mit einer Stellungnahme der EU- Kommission zu rechnen, die sich kritisch mit den Plänen der Bundesregierung auseinandersetzen wird. Wir, die Deutsche Kinderhilfe setzen darauf, dass spätestens diese die Diskussion um das geplante Gesetzesvorhaben neu entfachen und zu einer Neubewertung führen wird.
Alternativer Vorschlag der DKH für Neuregelung im Strafgesetzbuch (StGB)
- 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
- sexuelle Handlungen, die strafbar im Sinne von § 176 StGB sind, von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
- die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung, sofern diese nicht Teil einer einvernehmlichen Kommunikation unter Kindern oder Jugendlichen ist oder
- die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes, sofern diese nicht Teil einer einvernehmlichen Kommunikation unter Kindern oder Jugendlichen ist
- es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt im obigen Sinne, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
- einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen im obigen Sinne wiedergibt, herstellt oder
- einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
- Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.
- Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
- Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.
- Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:
- staatlichen Aufgaben,
- Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
- dienstlichen oder beruflichen Pflichten.
- Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn
- die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
- die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
- Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.
- Straffrei ist die Weiterleitung von kinderpornografischem Material zu Zwecken der Prävention im Rahmen der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber einem Kind oder Jugendlichen unter 18 Jahren im Sinne von § 171 dieses Gesetzes.
Der oben genannte Alternativ-Vorschlag ist weder final noch erhebt er den Anspruch, schon jetzt bestmöglich ausformuliert zu sein.
Es geht der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. bei den vorgelegten Vorschlägen darum, die Diskussionen um Anpassung der Strafandrohung von § 184b StGB zu befördern. Aus unserer Sicht muss verhindert werden, dass zum zweiten Mal eine Änderung des Gesetzes vorgenommen wird, die unausgereift ist.
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