Digitale Gewalt/Cybermobbing
a. Was ist digitale Gewalt?
Immer noch unterscheiden wir gern die digitale Welt von der „realen“. Doch die Welt der Daten ist längst genauso real wie die analoge, physische Welt der Dinge, in der wir leben. Ihr trefft euch in der digitalen Welt auf sozialen Plattformen mit euren Freundinnen und Freunden, tauscht euch in unterschiedlichen Foren aus, schaut Filme bei Streamingdiensten oder kauft in Onlineshops ein. Das ist ein Teil eures realen Lebens. Genauso real ist die Gewalt, die Menschen in der digitalen Welt erleben. Die ist zwar nicht körperlich, doch sie verletzt und belastet die betroffenen Menschen schwer.Als digitale Gewalt wird jede Form von Gewalt bezeichnet, die online in den sozialen Medien und auf Video-Plattformen, in Chats und Foren, über Messenger-Dienste oder per E-Mail geschieht. Digitale Gewalt ist vielfältig: Hatespeech, Identitätsdiebstahl, Cyberstalking, sexuelle Belästigung etc., aber besonders betroffen sind eure Altersgruppen vermutlich von Cybergrooming und Cybermobbing. Beim Cybergrooming nehmen Erwachsene im Web unter falscher Identität Kontakt zu euch auf und gewinnen euer Vertrauen, um später von euch freizügige Bilder zu verlangen (wie ihr vermeiden könnt, Opfer von Cybergrooming zu werden könnt ihr in Beitrag Nr.4 nachlesen). Wird jemand über einen längeren Zeitraum von einer oder mehreren Personen durch E-Mails, Messenger-Nachrichten oder Posts in sozialen Netzwerken schikaniert, ausgegrenzt, beleidigt oder verspottet, nennt man das Cybermobbing.
Bisher liegen noch keine Zahlen zur digitalen Gewalt vor, weil die Polizei die begangenen Straftaten nicht gesondert als digitale Gewalt erfasst. Doch einzelne Erhebungen zeigen, dass digitale Gewalt sehr häufig vorkommt und zunimmt. Bereits 2019 zeigte eine Studie, dass 8% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland schon selbst Cybermobbing erlebt haben (JIM-Studie 2019 Jugend, Information, Medien). In JIM-Studien aus den Jahren 2020 und 2021 gaben bereits 11% der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren an, selbst Opfer von Cybermobbing gewesen zu sein. Es liegt auch nahe, dass gerade ihr verstärkt Opfer digitaler Gewalt werdet, weil ihr viel mehr im Internet unterwegs seid als andere Altersgruppen.
Manchmal wisst ihr, wer hinter dem Mobbing steht, weil es schon außerhalb des Internets angefangen hat. Häufig bleiben die Täter*innen aber anonym und ihre Beleidigungen verbreiten sich rasant schnell und werden von einer unüberschaubaren Menge von Menschen wahrgenommen. Die
Täter*innen können online nicht unmittelbar erkennen, wie sehr ihr Opfer leidet, was die Hemmschwelle sinken lässt. Deshalb empfinden die Täter*innen weniger Mitleid und ihre Attacken fallen besonders brutal und grausam aus.
Durch die ständige Erreichbarkeit hört Cybermobbing leider nicht mehr im Klassenzimmer auf, sondern begleitet Betroffene bis in die eigenen vier Wände. Deshalb kann Mobbing im Internet zu schweren psychischen Problemen und im Extremfall bis hin zum Suizid führen und darf nie unter-
schätzt werden!
b. Was könnt ihr tun, wenn ihr von Cybermobbing betroffen seid?
Macht euch klar, dass jeder ein Opfer von Cybermobbing werden kann. Euch trifft keine Schuld und ihr braucht euch nicht zu schämen. Versucht nicht, allein mit dem Problem fertig zu werden. Sprecht mit euren Freund*innen oder euren Eltern. Teilt ihnen mit, was euch da gerade passiert. So bekommt ihr moralische Unterstützung und ihr fühlt euch nicht mehr hilflos. Im Regelfall solltet ihr auf die Attacken nicht antworten, weil das die Täter*innen animiert weiterzumachen. Ihr solltet den*die Mobber*in blockieren, damit ihr zumindest etwas Ruhe habt. Die beleidigenden Posts und/oder Chatverläufe solltet ihr unbedingt durch Screenshots sichern, weil ihr später vielleicht noch Beweise brauchen werdet. Damit könnt ihr euch an die Betreibenden der jeweiligen Plattform wenden und den Regelverstoß melden und die sofortige Löschung fordern. Die Meldung ist wichtig und ihr solltet das unbedingt machen. Dazu könnt ihr meist entsprechende Hilfsfunktionen der Websites und Messengerdienste nutzen. Wenn es sehr belastend wird und ihr dringend eine*n Ansprechpartner*in braucht, könnt ihr euch an Organisationen wie z.B. juuuport e.V. wenden, die euch beratend zur Seite stehen und eure Fragen gern beantworten: Klick hier!Die genannten Dinge solltet ihr immer tun, auch dann, wenn ihr über rechtliche Schritte nachdenkt. Ihr habt einige rechtliche Möglichkeiten, um gegen den*die Mobber*in oder die Plattform vorzugehen:
>> Unterlassungsaufforderung
Eine einfache Möglichkeit ist die Aufforderung an den*die Mobber*in oder den*die Betreiber*in der Plattform oder der App, die beleidigende Inhalte innerhalb einer von dir festgelegten Frist zu entfernen. Man nennt das eine Unterlassungsaufforderung. Auf den großen Plattformen könnt ihr solche Inhalte direkt online melden und ihre Löschung verlangen.>> Abmahnung
Wird auf die Unterlassungsaufforderung nicht reagiert, kann eine Abmahnung erfolgen. Eine Abmahnung ist ein formeller Brief, in dem genau beschrieben werden muss, was der*die Mobber*in getan hat, und er*sie muss aufgefordert werden, dies innerhalb einer gesetzten Frist zu unterlassen. Der*die Mobber*in muss eine rechtsgültige Unterlassungserklärung unterzeichnen. Bereits hier wird häufig fremde Hilfe (Beratungsstellen, Anwalt/Anwältin) erforderlich sein.>> Unterlassungsklage/ einstweilige Verfügung
Passiert wieder nichts, bleibt nur noch der Weg zum Gericht. Dort könnt ihr auf Unterlassung klagen. Bei Cybermobbing sollte schnell gehandelt werden, weshalb, wenn möglich, eine einstweilige Verfügung beantragt werden sollte. Das ist eine Art Schnellverfahren mit der ihr schneller eine Entscheidung des Gerichts bekommt. Zwar ist dies häufig ohne Anwalt/Anwältin zulässig, tatsächlich werden die meisten Eltern aber fachliche Hilfe brauchen. Denn gerade bei der Beantragung einer einstweiligen Verfügung für Minderjährige ist einiges zu beachten. Allein deshalb wird der zivilrechtliche Weg meist nur in schlimmeren Fällen beschritten. Ist der*die Mobber*in anonym, müsst ihr zudem die Plattform auffordern, euch die entsprechenden Daten zu geben. Derzeit ist das noch sehr schwierig. Das von der jetzigen Bundesregierung geplante „Gesetz gegen digitale Gewalt“ soll Besserung bringen, indem die Auskunftsrechte der Opfer gestärkt werden. Aber leider besteht noch kein genauer Zeitplan, wann das Gesetz kommen wird und wie es genau ausgestaltet sein wird steht auch noch nicht fest. Die richtig üblen Formen des Cybermobbings können auch strafrechtlich relevant sein, obwohl Cybermobbing selbst kein Straftatbestand ist. Aber manche Dinge, die die Täter beim Mobbing tun, sind es sehr wohl. Wenn das Opfer z.B. zu irgendwas gezwungen werden soll, indem es stark unter Druck gesetzt wird (strafrechtlich eine Nötigung). Wird dem Opfer mit Gewalt gedroht, kann eine Bedrohung vorliegen, die ebenfalls verboten ist. Auch Beleidigung und üble Nachrede sind strafbar. Um in solchen Fällen gegen den*die Täter*in vorzugehen, müsst ihr eine Strafanzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erstatten. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln dann und wenn der*die Täter*in zu finden ist und die Beweise ausreichen, wird er*sie vor Gericht gestellt. Leider sind in Deutschland die für die Online-Straftaten zuständigen Staatsanwält*innen oft sehr überlastet, weshalb sie die Fälle von Cybermobbing nicht zügig bearbeiten können. Das bedeutet für euch, dass mit der Anzeigeerstattung nicht gleich alles wieder gut wird, sondern das Ergebnis der Ermittlungen abgewartet werden muss.Aus alledem ergeben sich ein paar Verhaltensregeln:
• Ihr solltet nicht oder so wenig wie möglich auf das Mobbing antworten und den*die Mobber*in so schnell wie möglich blockieren. Es ist frustrierend für sie, wenn ihr auf ihr Mobbing nicht eingeht. Das ständige Hin-und-Herschicken wütender Nachrichten oder Kommentare macht alles nur schlimmer.• Macht beim Mobbing gegen andere nicht mit. Oft will der*die Täter*in, dass möglichst viele Leute auf dem Opfer herumhacken. Das funktioniert aber nur, wenn ihr euch von anderen einspannen lasst. Ihr solltet euch nicht von den Täter*innen benutzen lassen.
• Melden und Hilfe holen: Hilfsfunktionen von Websites und Messengern nutzen, um Regelverstöße zu melden und die Löschung einfordern. Meist verfügen die Sozialen Netzwerke über eine Funktion, mit der auf Regelverstöße hingewiesen werden kann. Ob und wie schnell eine Löschung
erfolgt, ist von Fall zu Fall leider sehr unterschiedlich.
• Als Betroffene solltet ihr euch immer und so schnell wie möglich Rat und moralische Unterstützung bei Vertrauenspersonen aus eurem persönlichen Umfeld holen. Hilfe und Unterstützung bieten auch Beratungsangebote im Netz, wie z.B. https://www.klicksafe.de/ oder https://www.
juuuport.de
• Betreibt Beweissicherung, indem ihr Screenshots der fraglichen Posts anfertigt.
• Jeder kann Opfer werden, aber ihr könnt euer Risiko verringern, indem ihr nur solche Inhalte (Fotos, Texte und andere Daten) veröffentlicht und an andere weiterschickt, die alle Welt für immer lesen und sehen darf.
Im Ergebnis ist Cybermobbing nicht immer gleich ein Thema für die Juristen und noch seltener eines für die Polizei. Und selbst in schweren Fällen, in denen juristische Gegenmittel angebracht sind, gibt es daneben noch viele nicht-juristische und oft effizientere Maßnahmen und Hilfsangebote, die du unbedingt parallel nutzen solltest. Reichen die nicht aus, ist es allemal besser, den juristischen Weg zu wählen, als sich nicht zu wehren.