Die Vorratsdatenspeicherung ist tot. Es lebe die Vorratsdatenspeicherung?

Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem aktuellen Urteil, die Vorratsdatenspeicherung, so wie sie bisher im deutschen Telekommunikationsgesetz verankert, aber schon seit 2017 wegen rechtlicher Bedenken auf Eis gelegt ist, als europarechtswidrig eingestuft.
Durch die abschließende Entscheidung des Gerichts, besteht nun Klarheit: so wie ursprünglich geplant, wird die Vorratsdatenspeicherung nicht kommen. Weitere Diskussionen darüber, sind mit dem Urteil des EuGH hinfällig.
Damit hat sich automatisch der vermeintliche Streit zwischen Datenschützern und Kinderschützern erledigt. Vermeintlich, weil immer klar war, dass auch Datenschützer Kinderschutz wollen und auch Kinderschützer Datenschutz wichtig finden.
Da wir uns täglich mit der Situation der Opfer und ihrem Leid auseinandersetzen und deren Perspektive einnehmen, waren wir eher bereit, tiefgreifende Eingriffe in die Freiheitsrechte auch unbescholtener Bürger hinzunehmen. Nicht weil wir keine Bedenken hatten, sondern weil wir es für zwingend notwendig hielten, um Polizei und Justiz wirksame Mittel zur Verbrechensbekämpfung zur Verfügung zu stellen.
Die Politik ist nun verpflichtet, die Maßgaben des EuGH in einen verbindlichen rechtlichen Rahmen für Justiz und Polizei umzusetzen, um den Ermittlern die nötigen Werkzeuge für eine effektive Verbrechensbekämpfung an die Hand zu geben.
Anders als vorschnell von Justizminister Buschmann (FDP) behauptet, bedeutet das Urteil keinesfalls das Ende jeglicher Vorratsdatenspeicherung. Der EuGH hat die anlasslose Speicherung der IP-Adressen ausdrücklich zugelassen, wenn sie zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eingesetzt wird. Dass sexueller Missbrauch, die Verbreitung entsprechenden pornografischen Materials und auch dessen Konsum schwere Straftaten sind, dürfte unstreitig sein. Gerade diese Möglichkeit der IP-Adressen Speicherung hat die Deutsche Kinderhilfe in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert und wir sind froh über ihre höchstrichterliche Bestätigung. Damit werden Ermittler in die Lage versetzt, Täter, die illegales Material ins Internet einstellen oder konsumieren, zu identifizieren und vor Gericht zu bringen. Justiz und Polizei brauchen dieses Mittel, um im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie nicht völlig auf verlorenem Posten zu stehen.
Warum den Ermittlern ein wirksames Mittel zur Verbrechensbekämpfung vorenthalten, wenn seine Vereinbarkeit mit europäischem Recht höchstrichterlich festgestellt wurde?
Daran ändert auch das sog. Quick-Freeze-Verfahren nicht.
Der EuGH hat in seinem Urteil ebenfalls bestätigt, dass dieses Verfahren europäischem Recht entspricht. Teile der Politik sind der Ansicht, die Einführung dieses Verfahrens in Deutschland, mache, die anlasslose Speicherung der IP-Adressen unnötig. Wir meinen, es handelt sich um zwei Sinnvolle Instrumente der Verbrechensbekämpfung. Die nebeneinander genutzt werden sollten.
Beim Quick-Freeze-Verfahren können die Ermittler den Provider auffordern, relevante Telekommunikationsdaten für eine bestimmte Zeit entgegen der üblichen Vorgehensweise nicht zu löschen, sondern einzufrieren, wenn der Verdacht auf eine erhebliche Straftat vorliegt. Dabei werden deutlich mehr Daten erfasst als nur die IP-Adresse. Dieses Einfrieren muss von einem Richter angeordnet werden, der das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (Verdacht, schwere Straftat) bestätigen muss. Verdichten sich die Verdachtsmomente, können die Ermittler den Provider in einem zweiten Schritt auffordern, ihnen die gespeicherten Daten zuzusenden, um sie zu sichten. Dafür ist erneut eine richterliche Anordnung erforderlich. Das Quick-Freeze-Verfahren ist deshalb ein wesentlich geringerer Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger, als die jetzt für rechtswidrig erklärte Praxis. Denn die Speicherung der Verkehrsdaten nach dem Quick-Freeze-Verfahren und ihre spätere Sichtung sind nicht anlasslos, weil ein Verdacht auf eine schwere Straftat bestehen muss und weil sie unter richterlichem Vorbehalt steht.
Die anlasslose Speicherung der IP-Adressen wird durch das Quick-Freeze ergänzt, nicht unnötig gemacht.
Klare Forderung der Deutschen Kinderhilfe ist daher, sowohl die die Speicherung der IP-Adressen als auch das Quick-Freeze-Verfahren in deutsches Recht umzusetzen, um für die Ermittlungsbehörden Rechtssicherheit zu schaffen und ihnen effektive Instrumente zur Verbrechensbekämpfung an die Hand zu geben.