Gewalt gegen Kinder: „Die Betroffenen müssen im Vordergrund stehen“
27. Mai 2015
Die Rechtsmediziner Dr. Saskia Etzold und Prof. Dr. Michael Tsokos haben sich heute im Rahmen einer Pressekonferenz mit den Zahlen der kindlichen Gewaltopfer nach der Polizeilichen Kriminalstatistik auseinandergesetzt und eine alternative Betrachtungsweise präsentiert.
Dass die Autoren die Polizeiliche Kriminalstatistik als falsch unterstellen, findet Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e.V. irritierend. „Die Polizeiliche Kriminalstatistik beruht auf absoluten Zahlen, und das BKA liefert dafür seriöses Datenmaterial. Nicht erfasst ist logischerweise, und das betonen wir immer wieder, das Dunkelfeld. Hierüber kann nur spekuliert werden. Herr Tsokos beschäftigt sich dagegen mit relativen Werten, und die Zahlen sind damit nicht vergleichbar.“
„Natürlich können und sollen die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik als Grundlage für Studien herangezogen und um weitere Faktoren ergänzt werden. Hilft dies dabei, Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen und das Dunkelfeld zu erhellen, unterstützen wir diesen Ansatz gern“, so Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e.V. „Allerdings sollten wir uns primär intensiver mit den Betroffenen befassen als dem Erstellen neuen Zahlenmaterials. Vorrang sollte daher haben, die Strafverfolgung durch Reformen zu effektivieren und den Schutz von Kindern und Jugendlichen durch Präventionsangebote und eine qualitativ hochwertige Prozessbegleitung zu ermöglichen.“
„Die Betrachtung der Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik unter Hinzuziehung der Geburtenrate ist nur ein möglicher Aspekt von vielen“, so Prof. Dr. Kathinka Beckmann, Professorin für klassische und neue Arbeitsfelder der Pädagogik der Frühen Kindheit an der FH Koblenz. Sie wünscht sich eine vielseitigere Betrachtungsweise.
"Die Zunahme der Zahlen ab 2005, zum Beispiel in der Kategorie Misshandlung, weist nicht zwangsläufig auf eine Zunahme der Gewalt gegen Kinder hin, sondern auf eine infolge der Einführung des § 8a SGB VIII im selben Jahr sensibilisierte Akteurslandschaft.“, so Prof. Beckmann. „Insbesondere die pädagogischen Mitarbeitenden der Kitas, der Jugendämter und der ambulanten Dienste sowie die Lehrkräfte in den Schulen sind seit diesem Zeitpunkt stärker in der Pflicht, auf Alarmsignale der Kinder zu achten und dementsprechend zu handeln. Insofern wäre eine multiperspektivische Betrachtung der Datenlage wünschenswert."
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