Bundeslagebild „Häusliche Gewalt“ – Es muss schnellstens gehandelt werden- auch im Hinblick auf Kinderschutz
7. Juni 2024
Die aktuelle Bilanz ist alarmierend, die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt hat auch nach dem Ende der Pandemie (die zuvor als offizielle Begründung für gestiegene Zahlen diente) noch einmal deutlich zugenommen, um etwa sieben Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. Erneut sind mehr als siebzig Prozent der Opfer Frauen, betroffen sind damit auch deren Kinder.
Einmal mehr ist die Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. nach der aktuellen Vorstellung des Bundeslagebildes „Häusliche Gewalt“ enttäuscht, denn was die Bundesministerinnen Nancy Faeser und Lisa Paus wieder zu wenig berücksichtigten, als sie gemeinsam mit der Vizepräsidentin des BKA, Martina Link, und der Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, Petra Söchting, den Bericht vorstellten, sind die betroffenen Kinder. Die von der Bundesfamilienministerin benannte Möglichkeit des Notrufs für Kinder und Jugendliche reicht aufgrund des großen Ausmaßes des Problems nicht aus.
Denn in rund 50 % der von häuslicher Gewalt betroffenen Familien gehören Kinder zum Haushalt, die die Gewalt eines Elternteils gegen den anderen mindestens mitbekommen haben. Es sind Kinder, die durch das Miterleben traumatisiert wurden und werden, Kinder die Loyalitätsprobleme und Schuldgefühle entwickeln, Kinder, die miterleben müssen, wie die Autorität des geschlagenen Elternteils unterlaufen wird, die von ihm entfremdet werden, die im Konflikt zwischen Sorge- und Umgangsrechtsstreit hin- und hergerissen werden.
Es sind Kinder, die doch einfach nur Kinder sein wollen und die den Anforderungen etwa der Schule genügen wollen und das während sie ertragen müssen, dass im besonders schützenswerten Bereich der Familie das Gesetz der Stärkeren zu gelten scheint.
Aus all diesen Gründen können und dürfen die betroffenen Kinder beim Thema „Häusliche Gewalt“ nicht vergessen werden. Und wir sagen ganz deutlich – es handelt sich nicht um eine Wahl-, sondern um eine gesetzliche Pflichtaufgabe.
Dies nun durch eine angeblich neue Idee aus dem Bundesfamilienministeriums in Form eines Gewalthilfegesetzes lösen zu wollen, das einen bundesweiten Rechtsrahmen setzt, um von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen Hilfe zukommen zu lassen, ist lange überfällig, denn Deutschland ist zur Umsetzung dieser Rechte schon lange verpflichtet – durch die Bestimmungen der Istanbul Konvention, die unser Land bereits im Jahr 2018 ratifiziert hat, was bislang aber von unseren Ministerien und Behörden ignoriert wurde. Danach sind in den Vertragsstaaten auch die Kinder vor häuslicher Gewalt zu schützen, und zwar verbindlich.
Die Expertenkommission der EU (GREVIO) kritisiert in ihrem aktuellen Bericht zur Umsetzung der Maßgaben der Konvention im Hinblick auf den Schutz der Kinder in Deutschland diverse Mängel bei der Einhaltung in Behörden und in den Gerichten, ein peinliches Ergebnis.
Da mutet es fast lächerlich an, wenn Bundesfamilienministerin Paus sich nun mit einem Vorschlag schmückt, der nichts als die verspätete notwendige Umsetzung der Konvention ist. Der nun von der Bundesfamilienministerin Paus wie ein Novum dargestellte Rechtsanspruch von Frauen auf Gewaltschutz ist, wie bereits ausgeführt, bereits 2018 in der Istanbul Konvention normiert worden und hätte längst in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Gerade die beschriebenen Umsetzungsmängel der Istanbul Konvention auch in Deutschland haben die EU-Gremien kürzlich veranlasst noch deutlicher zu reagieren, in Form einer EU-Richtlinie, die verabschiedet wurde (Richtlinie (EU) 2024/1385 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (europa.eu)). Sie fordert die Staaten, in denen es noch immer Defizite in der Umsetzung gibt, sehr deutlich auf, die beschriebenen Mängel in den kommenden drei Jahren abzustellen.
„Wir haben in Bezug auf häusliche Gewalt ein Lagebild präsentiert bekommen, das in keiner Weise diesen Anforderungen entspricht“, kritisiert Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. „Es werden Zahlen erhoben, wie viele Fälle angezeigt bzw. gemeldet wurden und wie viele Gewaltschutzanordnungen es gab, aber was ist mit validen Zahlen, wie viele angezeigte Täter überhaupt verurteilt wurden, wie viele Verfahren eingestellt wurden und weswegen? Es gibt etliche Hinweise, dass eine sehr hohe Zahl der angezeigten Fälle wegen mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt wurden und dass Familiengerichte Fälle, in denen nur ein Elternteil geschlagen wurde, es als selbstverständlich erachten, dass das betroffene Kind unbedingt Umgang mit dem schlagenden Elternteil haben muss. Hier brauchen wir endlich Zahlen.
Es gibt keinen separaten Tatbestand „Häusliche Gewalt“ in unserem Strafgesetzbuch und eventuelle Verurteilungen gehen irgendwo in der Gesamtzahl der Körperverletzungen in unserem Land unter. Wie will man so aus den erwähnten Zahlen Schlüsse ziehen, also notwendige Maßnahmen ableiten?
„Ich erwarte, dass unsere zuständigen Ministerinnen die Konvention und die Richtlinie schnellstens umsetzen. Hier hierfür notwendigen Haushaltsmittel dürfen nicht versagt werden, da das aktuelle Lagenbild die Dringlichkeit zu handeln, klar belegt.“ so Becker.
Als Beispiele führt er die vielfach unterbesetzten Interventionsstellen für häusliche Gewalt und die fehlenden Frauenhäuser bzw. Frauenhausplätze an, insbesondere mit Räumen für Mütter mit Kindern. Auch das sind klare Verstöße gegen die neue Richtlinie
Sie sieht vor, dass nationale Beratungsstellen zur Unterstützung von Opfern von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ganzjährig, rund um die Uhr und kostenfrei zur Verfügung stehen sollten. Handelt es sich bei einem Opfer um ein Kind, sollten die Behörden altersgerechte Unterstützung zum Wohl des Kindes vorsehen.
Dazu Rainer Becker: „Davon sind wir derzeit leider weit entfernt, aber das muss sich jetzt ändern. Das bedeutet, wir brauchen die EU- Richtlinie vollumfänglich umsetzende nationale Gesetze noch in dieser Legislaturperiode. Wir brauchen darüber hinaus ein Familienrecht, das vorrangig die Rechte der naturgemäß besonders vulnerablen Kinder berücksichtigt und weniger die Rechte der Eltern an ihnen.“
Einmal mehr ist die Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. nach der aktuellen Vorstellung des Bundeslagebildes „Häusliche Gewalt“ enttäuscht, denn was die Bundesministerinnen Nancy Faeser und Lisa Paus wieder zu wenig berücksichtigten, als sie gemeinsam mit der Vizepräsidentin des BKA, Martina Link, und der Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, Petra Söchting, den Bericht vorstellten, sind die betroffenen Kinder. Die von der Bundesfamilienministerin benannte Möglichkeit des Notrufs für Kinder und Jugendliche reicht aufgrund des großen Ausmaßes des Problems nicht aus.
Denn in rund 50 % der von häuslicher Gewalt betroffenen Familien gehören Kinder zum Haushalt, die die Gewalt eines Elternteils gegen den anderen mindestens mitbekommen haben. Es sind Kinder, die durch das Miterleben traumatisiert wurden und werden, Kinder die Loyalitätsprobleme und Schuldgefühle entwickeln, Kinder, die miterleben müssen, wie die Autorität des geschlagenen Elternteils unterlaufen wird, die von ihm entfremdet werden, die im Konflikt zwischen Sorge- und Umgangsrechtsstreit hin- und hergerissen werden.
Es sind Kinder, die doch einfach nur Kinder sein wollen und die den Anforderungen etwa der Schule genügen wollen und das während sie ertragen müssen, dass im besonders schützenswerten Bereich der Familie das Gesetz der Stärkeren zu gelten scheint.
Aus all diesen Gründen können und dürfen die betroffenen Kinder beim Thema „Häusliche Gewalt“ nicht vergessen werden. Und wir sagen ganz deutlich – es handelt sich nicht um eine Wahl-, sondern um eine gesetzliche Pflichtaufgabe.
Dies nun durch eine angeblich neue Idee aus dem Bundesfamilienministeriums in Form eines Gewalthilfegesetzes lösen zu wollen, das einen bundesweiten Rechtsrahmen setzt, um von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen Hilfe zukommen zu lassen, ist lange überfällig, denn Deutschland ist zur Umsetzung dieser Rechte schon lange verpflichtet – durch die Bestimmungen der Istanbul Konvention, die unser Land bereits im Jahr 2018 ratifiziert hat, was bislang aber von unseren Ministerien und Behörden ignoriert wurde. Danach sind in den Vertragsstaaten auch die Kinder vor häuslicher Gewalt zu schützen, und zwar verbindlich.
Die Expertenkommission der EU (GREVIO) kritisiert in ihrem aktuellen Bericht zur Umsetzung der Maßgaben der Konvention im Hinblick auf den Schutz der Kinder in Deutschland diverse Mängel bei der Einhaltung in Behörden und in den Gerichten, ein peinliches Ergebnis.
Da mutet es fast lächerlich an, wenn Bundesfamilienministerin Paus sich nun mit einem Vorschlag schmückt, der nichts als die verspätete notwendige Umsetzung der Konvention ist. Der nun von der Bundesfamilienministerin Paus wie ein Novum dargestellte Rechtsanspruch von Frauen auf Gewaltschutz ist, wie bereits ausgeführt, bereits 2018 in der Istanbul Konvention normiert worden und hätte längst in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Gerade die beschriebenen Umsetzungsmängel der Istanbul Konvention auch in Deutschland haben die EU-Gremien kürzlich veranlasst noch deutlicher zu reagieren, in Form einer EU-Richtlinie, die verabschiedet wurde (Richtlinie (EU) 2024/1385 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (europa.eu)). Sie fordert die Staaten, in denen es noch immer Defizite in der Umsetzung gibt, sehr deutlich auf, die beschriebenen Mängel in den kommenden drei Jahren abzustellen.
„Wir haben in Bezug auf häusliche Gewalt ein Lagebild präsentiert bekommen, das in keiner Weise diesen Anforderungen entspricht“, kritisiert Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. „Es werden Zahlen erhoben, wie viele Fälle angezeigt bzw. gemeldet wurden und wie viele Gewaltschutzanordnungen es gab, aber was ist mit validen Zahlen, wie viele angezeigte Täter überhaupt verurteilt wurden, wie viele Verfahren eingestellt wurden und weswegen? Es gibt etliche Hinweise, dass eine sehr hohe Zahl der angezeigten Fälle wegen mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt wurden und dass Familiengerichte Fälle, in denen nur ein Elternteil geschlagen wurde, es als selbstverständlich erachten, dass das betroffene Kind unbedingt Umgang mit dem schlagenden Elternteil haben muss. Hier brauchen wir endlich Zahlen.
Es gibt keinen separaten Tatbestand „Häusliche Gewalt“ in unserem Strafgesetzbuch und eventuelle Verurteilungen gehen irgendwo in der Gesamtzahl der Körperverletzungen in unserem Land unter. Wie will man so aus den erwähnten Zahlen Schlüsse ziehen, also notwendige Maßnahmen ableiten?
„Ich erwarte, dass unsere zuständigen Ministerinnen die Konvention und die Richtlinie schnellstens umsetzen. Hier hierfür notwendigen Haushaltsmittel dürfen nicht versagt werden, da das aktuelle Lagenbild die Dringlichkeit zu handeln, klar belegt.“ so Becker.
Als Beispiele führt er die vielfach unterbesetzten Interventionsstellen für häusliche Gewalt und die fehlenden Frauenhäuser bzw. Frauenhausplätze an, insbesondere mit Räumen für Mütter mit Kindern. Auch das sind klare Verstöße gegen die neue Richtlinie
Sie sieht vor, dass nationale Beratungsstellen zur Unterstützung von Opfern von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ganzjährig, rund um die Uhr und kostenfrei zur Verfügung stehen sollten. Handelt es sich bei einem Opfer um ein Kind, sollten die Behörden altersgerechte Unterstützung zum Wohl des Kindes vorsehen.
Dazu Rainer Becker: „Davon sind wir derzeit leider weit entfernt, aber das muss sich jetzt ändern. Das bedeutet, wir brauchen die EU- Richtlinie vollumfänglich umsetzende nationale Gesetze noch in dieser Legislaturperiode. Wir brauchen darüber hinaus ein Familienrecht, das vorrangig die Rechte der naturgemäß besonders vulnerablen Kinder berücksichtigt und weniger die Rechte der Eltern an ihnen.“
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